Über das Bücherschreiben – Interview mit Roberta Bergmann

Roberta Bergmann und ich kennen uns seit Jahren über social media, sind uns aber nie so richtig begegnet, bis wir letztes Jahr auf der Frankfurter Buchmesse die Gelegenheit hatten, Aug in Auge das erste Mal miteinander zu sprechen. Einige Male durfte ich zu Gast sein in Robertas Podcast und auf ihrem Blog. Jetzt hat sie ein neues Buch heraus gebracht und ich möchte euch gerne Roberta und ihr kreatives Schaffen ein bisschen näher vorstellen. Außerdem geht es um die spannende Frage wie man eigentlich ein Buch schreibt oder an einen Verlag herantritt.  Das Interview ist noch vor meiner Sommerpause entstanden. Here we go – viel Spaß beim Lesen!

Heike: Roberta, du bist Multikünstlerin – also vielseitig künstlerisch tätig. Mit was beschäftigst du dich am liebsten und warum? Mit was beschäftigst du dich gerade?

Roberta: Das ist schwer zu sagen … ich beschäftige mich tatsächlich mit allen Sachen, die ich kreativ mache, sehr gern. Nicht immer zu jeder Zeit. Alles hat seine Zeit sozusagen. Manchmal habe ich Lust zu malen, dann gehe ich  in mein Atelier.  An manchen Tagen fällt mir das Malen schwer, dafür aber das Schreiben leichter. Dann weiß ich, heute sollte ich lieber schreiben, statt zu malen. So kann ich jederzeit meinem Gefühl folgen und das machen, was sich gut anfühlt. Und weil ich zwischen Malen, IllustrierenSchreibenPodcasten und Gestaltung auswählen kann (es gibt immer ein Projekt, an dem ich weitermachen kann), gibt es auch kaum Zeit, in der ich nicht kreativ bin. Natürlich kommt es auch vor, dass ich gar nichts Kreatives arbeiten kann, dann ist es Zeit für eine Pause (um neue Energie zu tanken) – oder ich räume endlich mal wieder die Wohnung auf und wasche die Wäsche!

Aktuell sitze ich an der Fertigstellung eines neuen Sachbuches „Kreative Identität und Selbsterkenntnis“  das im Oktober im Hermann Schmidt Verlag erscheinen wird. Außerdem illustriere ich aktuell Gedichte für den Kunstanstifter Verlag. Von wem diese Gedichte sind, verrate ich noch nicht. Nur so viel: Das Buch ist für Frühjahr 2024 geplant und ich arbeite seit fast zwei Jahren daran.

Heike: Gerade hast du ein neues Buch herausgebracht, das das vierte der Gestaltungsreihe ist. Ich selbst habe mir „Die Grundlagen des Gestaltens“ vor einigen Jahren gekauft, weil ich auf der Suche war nach einem Grundlagenbuch. Und da hat mich deins als einziges angesprochen. Erzähl doch bitte kurz wie dein neues Buch heißt und um was es in der gesamten Buchreihe genau geht.

Roberta: Mein 4. Sachbuch im Haupt Verlag heißt  „Kreativ unter freiem Himmel – Projekte in Stadt und Natur“. Ich habe es in der Coronazeit begonnen, auch aus der Not heraus, weil ich nicht indoor unterrichten konnte. Was aber möglich war, waren ein paar Workshops unter freiem Himmel, wie zum Beispiel mein Urban-Sketching-Workshop. Und während Corona war ich noch öfter draußen unterwegs, spazieren, wandern. Der Harz liegt vor meiner Haustür und im Winter gibt es dort immer Schnee. So entstand die Idee zu meinem neuen Buch, das aber nicht nur Projekte in der Natur in den Fokus stellt, wie „Land Art“, Fotografie oder Mixed-Media-Arbeiten mit Naturmaterialien. Im Buch gibt es auch Projekte, die typisch für den urbanen Raum sind und die man wohl mit dem Überbegriff „Urban Art“ zusammenfassen kann. Dazu gehört natürlich Graffiti, Urban Sketching, Street Art, Tape Art, Guerilla Art und einiges mehr. So sind über 30 Projekte im Buch zusammen gekommen, die man dank der Anleitungen auch wunderbar nacharbeiten kann. Und dafür stehen auch meine Bücher im Haupt Verlag: Alle enthalten sehr viele Übungen, Aufgaben, Impulse und Projekte, die man nach dem Lesen oder währenddessen praktisch nachmachen kann. Deswegen sind meine Bücher auch bei Lehrenden sehr beliebt! Und ich mag solche Art von Kreativbüchern, wahrscheinlich auch weil ich selbst seit 15 Jahren Gestaltung und Kreativität unterrichte. In „Die Grundlagen des Gestaltens“ (Haupt Verlag, 3. Auflage 2021) gibt es neben der Designtheorie 50 praktische Aufgaben, wenn man Gestaltung lernen möchte. In „Die Praxis des Gestaltens“ (Haupt Verlag, 1. Auflage 2020) greife ich das Thema wieder auf und formuliere 38 neue Praxisaufgaben aus den Gestaltungsbereichen Fotografie, Illustration, Grafikdesign, plastisches Gestalten, App-Entwicklung und einiges mehr. In „Kopf frei für den kreativen Flow“ (1. Auflage, 2018) dreht sich alles um 40 Kreativtechniken und 15 Kreativblockadenlöser – hier kann man seine Kreativität durch das Ausprobieren verschiedener Übungen und Impulse ankurbeln.

Ich glaube, dass Bücher bleiben, wenn sie gut sind. Bücher sind langlebiger als andere kreative Produkte.

Heike: Ich würde gerne mit dir über den Prozess des Bücherschreibens sprechen. Wie gehst du mit der ersten Idee vor? Warum ein Buch draus machen? Das ist doch so zeitintensiv.

Roberta Bergmann vor Selbstportrait

Roberta: Bücher mache ich nicht, weil es einfach ist und schnell geht oder weil ich damit viel Geld verdiene, im Gegenteil. Aber Bücher sind einfach meine Leidenschaft, seit ich Kind war. Es sind eigene Welten, Schätze, Wegbegleiter und Freunde. Und jedes Buch, das ich geschrieben oder illustriert habe, liegt mir sehr am Herzen, ist mir wichtig. Es gibt meinem Leben Bedeutung, deshalb schreibe und erfinde ich meine eigenen Bücher. In der Hoffnung „Wer schreibt, bleibt“. Ich habe leider sehr viele Buchideen: Viel mehr als ich in einem Leben schaffen werde, umzusetzen. Daher muss ich mich vorab entscheiden, welche Buchidee mir am wichtigsten ist und am meisten Potenzial verspricht. Ich arbeite im Schnitt zwei Jahre an einem Buch. Bei „Die Grundlagen des Gestaltens“ habe ich vorab sechs Jahre unterrichtet und diese Erkenntnisse sind dann in das Buch geflossen, an dem ich dann 2,5 Jahre geschrieben habe. Es geht also nicht schnell. Aber es gibt auch Autor*innen, die schneller arbeiten oder deren Bücher nicht so dick oder komplex sind. Aber bei mir dauert es eben aktuell circa zwei Jahre. Nebenher mache ich tatsächlich noch andere Projekte  gebe Workshops oder gestalte Plakate und Flyer, einfach, weil der Vorschuss, den man fürs Schreiben in der Regel bekommt, niemals für zwei Jahre Schreibarbeit reicht (eher nur für zwei Monate).

Ich glaube, dass Bücher bleiben, wenn sie gut sind. Bücher sind langlebiger als andere kreative Produkte. Deshalb mache ich Bücher, weil ich den Gedanken schön finde, dass diese paar Tausend Exemplare bei Menschen Zuhause im Regal stehen, mit umziehen, vielleicht weitergegeben werden und so ihren Weg gehen, über Jahrzehnte durch viele Hände, die das Buch mal mehr mal weniger zu schätzen wissen.

Heike: Verlage wollen ja oft erst einmal ein Buchkonzept. Kannst du erklären, was das ist?

Roberta: Ein Buchkonzept oder ein Buchexposé umfasst eine Inhaltsbeschreibung des Buches, vielleicht schon den geplanten Aufbau in Form eines Inhaltsverzeichnisses oder eines Plots. Ist es ein bebildertes Buch, kann man schon Visualisierungen beilegen. Das können Skizzen oder Entwürfe sein, die einen ersten visuellen Eindruck vermitteln, wo es hingehen könnte. Vielleicht ein Layout von ein paar Seiten. Man kann außerdem eine Zielgruppenanalyse schreiben, in der man benennt, für wen das Buch geeignet wäre. Und man kann eine Marktanalyse machen, also recherchieren, was es in dem Bereich schon gibt und wo beim eigenen Werk der USP (Alleinstellungsmerkmal) liegt. Das mögen Verlage gern, denn sie brauchen Argumente, um das Buch ins Programm zu nehmen. Und wenn klar wird, dieses Buch wird eine Zielgruppe finden, denn so ein Buch gibt es zum Beispiel noch nicht oder es ist ein Trendbuch, spitzen die Verlage die Ohren. In ein Buchkonzept gehören auch ein paar Infos zur Autor*in, wenn der Verlag diese*n noch nicht langjährig kennt. Hier reicht ein kurzer Lebenslauf, die eigene Expertise und was man ggf. schon veröffentlicht hat.

Gut ist es, von vorn herein das Scheitern als reale Möglichkeit mit einzubeziehen.

Atelier Bergmann

Heike: Was denkst du ist der beste Weg, einem Verlag ein solches Konzept vorzulegen?

Roberta: Den besten Weg gibt es nicht (oder ich kenne ihn nicht). Klassischerweise schickt man ein Manuskript oder Exposé direkt per Post oder digital an einen Verlag. Je nach Genre macht eine Literaturagentur Sinn, die das für den Autor/die Autor*in macht, weil die Verlage gern eine kuratierte Vorauswahl von den Agenturen erhalten (das spart Arbeit). Versucht man es allein, kann man auch einfach vorab mit dem Verlag persönlich Kontakt aufnehmen, d.h. den/die zuständige/n Lektor*in kontakten und fragen, wie diese gern das Exposé hätte oder ob man es persönlich vorstellen darf. So etwas geht in der Regel am besten auf Buchmessen, dann haben die Lektor*innen dafür Zeit eingeplant. Daher würde ich empfehlen, immer vorab Termine auf den Buchmessen anzustreben, um ein Exposé persönlich vorzustellen. So geht es auch nicht in der Post unter und man erhält direkt ein Feedback.

Heike: Was war die größte Herausforderung bei deinem letzten Werk.

Roberta: Die größte Herausforderung ist jedes Mal die Gleiche: Das Buch durchzuziehen und es auch fertig zu bekommen (lach!). Am Anfang legt man etwas ängstlich, aber mit recht viel Energie, los. Und dann irgendwann so spätestens ab der Mitte des Werks wird es plötzlich schwer(er), voranzukommen. Die Zeit zieht sich wie Kaugummi und es geht viel langsamer voran als zu Beginn. Hier trennt sich auch die Spreu vom Weizen, soll heißen, die Profi-Autor*innen von denen, die gern mal ein Buch schreiben würden. Ab diesem Punkt hilft nur noch eins: Disziplin, Durchhaltevermögen und das Vertrauen, dass man es schaffen wird.

Heike: Wenn man deine Aktivitäten Podcast, Kunst kreieren, Netzwerken und alles rund um dein Projekt „Der kreative Flow“ so verfolgt, fragt man sich: Wann hat sie Zeit zum Bücher schreiben? Verrätst du uns, wie und wann du schreibst? Gibt es Regeln, die dich disziplinieren und im Flow halten?

Zum kreativen Flow gibt es Buch und Podcast

Roberta: Wie schon beschrieben, wechsle ich oft die Tätigkeiten. Wenn man so will, schreibe ich die Bücher zwischendurch – oder ich schreibe Bücher und podcaste, male, netzwerke zwischendurch. Das kannst Du Dir aussuchen! Wenn ich gerade in der heißen Phase eines Buches bin, liegt der Fokus natürlich auf der Arbeit am Buch. Dann setze ich mich möglichst jeden Tag zur selben Zeit an das Buchdokument und arbeite 2-4 Stunden daran, mache eine lange Pause von 2 Stunden und danach arbeite ich noch einmal 1-3 Stunden weiter, je nachdem, wie es mir von der Hand geht. Hier hilft mir die tägliche Routine nicht zu hinterfragen, ob ich mich ans Buch setze. Ich mache es einfach, weil ich es jeden Tag mache. Ich trickse mich da im Prinzip selbst aus. Am besten arbeite ich morgens, was das Schreiben angeht. Je später es wird, desto langsamer wird mein Gehirn und Denkprozesse werden anstrengender. Wenn ich das bemerke, weiß ich eigentlich schon, ich sollte für heute Schluss machen und mich ausruhen. Am nächsten Tag geht es wieder von vorn los und dann geht alles wieder viel schneller von der Hand aufs Papier als am Nachmittag zuvor.

Heike: Der Wunsch, ein Buch zu schreiben, treibt viele Kreative im Leben an. Oft hapert es am Zutrauen oder am Mut, auf der Buchmesse an Verlage hinzutreten. Hast du einen Tipp, wie man seine Angst überwinden kann?

Roberta: Jede*r der*die ein Buch schreiben/machen möchte, sollte wirklich einmal hinterfragen, wie wichtig dieser Wunsch ist. Wenn beim Nachdenken und Reflektieren herauskommt, dass es sehr wichtig ist, sollte man alles dransetzen, es zu schaffen. Dazu muss man bereit sein, Herausforderungen und Hürden zu überwinden. Dafür braucht es Mut. Um mutig zu sein, braucht es den Willen, es schaffen zu wollen. Und gut ist auch von vorn herein das Scheitern als reale Möglichkeit mit einzubeziehen. Und sich zu überlegen, was passiert, wenn man scheitert. Wie man dann trotz allem weitermachen könnte. Es braucht Durchhaltewillen, Ausdauer und ein dickes Fell. Die wenigsten haben das Glück, dass es beim ersten Mal klappt. Die meisten probieren es mehrfach (und ich meine damit auch manchmal 10-20 Mal oder noch mehr!).

Die Angst vor einer neuen Herausforderung schwindet, je öfter man sie überwindet. Anders geht es nicht. Man muss den ersten Schritt machen. Daher wäre mein Tipp, TROTZ der Angst, die man spürt, den Schritt zu gehen und auf Verlage zuzugehen. Am Anfang ist alles schwer. Je öfter man es macht, desto einfacher wird es. Irgendwann bemerkt man, dass die Angst gar nicht mehr da ist. Das finde ich einen sehr motivierenden Gedanken!

Das einzige, was mich echt richtig anpisst , ist…

Heike: Was wäre dein Traumprojekt? Was möchtest du in Zukunft noch unbedingt im kreativen Bereich schaffen – erschaffen?

Roberta: Uuuuh. Das ist eine schwere Frage! Ganz allgemein würde ich gern immer besser werden in den Dingen, die ich bereits mache. Ich möchte, dass meine Projekte mindestens das Niveau halten, dass sie aktuell haben oder noch besser und besser und besser werden. Sollte ich feststellen, dass mein kreativer Output stattdessen qualitativ schlechter wird, würde ich aufhören (oder mich fragen, woran das liegt und das Problem versuchen zu beheben). Aktuell mache ich genau das, was ich machen möchte: Bücher schreiben, Podcasten, mein Wissen weitergeben, Neues lernen, Experimentieren mit neuen Ausdrucksformen. Wenn ich das weitermachen kann, bin ich glücklich. Gern auch mit noch mehr Reichweite und Sichtbarkeit für meine Arbeit!

Das einzige, was mich echt richtig anpisst (sorry für die Formulierung), ist, dass es so beschissen bezahlt wird. Das liegt sicherlich zum einen auch an mir, weil ich nicht genug Geld einfordere. Zum anderen aber auch an der Branche bzw. dem Markt selbst, die diese niedrigen Preise gewohnt ist und weiterhin einfordert. Ich habe nicht das Gefühl, den doppelten Preis verlangen oder Stundensätze von mehr als 100 Euro aufzurufen zu können. Doch das wäre nötig und das würde ich mir auch für meine zukünftige Tätigkeit wünschen!

Heike: Wann kommt das nächste Buch heraus und darfst du schon etwas darüber erzählen?

Roberta: Das nächste Buch kommt voraussichtlich Februar/März 2024 und heißt „Kreative Identität und Selbsterkenntnis“  Es erscheint im Hermann Schmidt Verlag. Ich habe mich in diesem Buch gefragt, was uns Kreativschaffende ausmacht, wenn wir kreativ sind. Können wir unsere kreative Stimme selbst klar definieren und für andere sichtbar machen und so kommunizieren, wer wir sind, was uns und unseren kreativen Output ausmacht. Denn nur so können wir ja auch die richtigen Kunden anziehen, uns im Markt positionieren und Geld verdienen.

Ich erkläre in diesem Buch, welche eigenen Ressourcen es braucht, um kreativ arbeiten und davon leben zu können. Ich definiere Methoden, die erfolgreiche Kreative anwenden, um von ihrem kreativen Schaffen zu leben. Das Buch soll helfen, herauszufinden was die eigene kreative Identität ausmacht und wie man diese dann beruflich nutzen kann. Und ich stelle seeeeehr viele Fragen an den Leser, die Leserin. Es ist also ein Buch, das zum Mitmachen, Nachdenken, Reflektieren und zur Selbsterkenntnis anregen soll. Ich bin echt richtig gespannt, wie es ankommen wird und was ich an Feedback erhalten werde!

Liebe Roberta, vielen Dank für die ausführlichen Antworten und dass du dein Wissen mit meinen LeserInnen und mir teilst.

Viel Erfolg weiterhin!

Eure Heike aus dem [Atelier Haas]

 

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