Eine Woche voller Schweine und Schnecken liegt hinter mir. Eine Woche voller Mücken und Giraffen auf Papier. Eine Woche voller Gespräche über Stil und Wolken, über Zeit und Langsamkeit und über Stille.
Mit meinen beiden lieben Graphic Recorder Kolleginnen Sabine aus Hannover und Florence aus Frankfurt hatte ich mich bereits letztes Jahr für einen Workshop beim Illustrator Quint Buchholz angemeldet. Der Kurs musste zweimal verschoben werden aufgrund von Corona. Und so kam es, dass wir also nun im Juli in die Akademie nach Kolbermoor aufbrachen, um im Seminar „Bilder, die Geschichten erzählen“ neue Impulse mit auf den professionellen Weg zu bekommen.
Quint Buchholz ist sicherlich einigen ein Begriff. Zeichnet er doch verantwortlich für das deutsche Cover des Buches Sofies Welt von Jostein Garder und verwirklichte zahlreiche Buchprojekte u.a. auch gemeinsam mit Elke Heidenreich (Am Südpol denkt man, ist es heiß und die Katzengeschichte von Nero Corleone). Seine Bilder sind sehr poetisch und leise, oft surreal und bringen einen zum Nachdenken. Wolken, Schnecken und das Spiel von Licht und Schatten finden sich in seinen Bildern wieder.
Auf Ideen herumkauen
So sanftmütig wie die Bilder sind, so kommt der Künstler auch selbst daher. Bescheiden und freundlich bereichert er unsere Tage mit zahlreichen Anekdoten aus seinem Leben als Illustrator. Wenn er lacht, lacht sein ganzes Gesicht. Wir lachen gerne mit. Anfangs sträuben wir uns noch etwas gegen den Aufbau des Kurses, der wenig mit Anleitung, sondern viel mit der stillen Arbeit an den eigenen Projekten zu tun hat. Später wird Quint sagen, dass es nicht um Technik gehe, sondern um Haltung. Das hallt noch lange bei mir nach. Er will uns die Möglichkeit geben, in der Stille zu arbeiten. Und diese Stille auch auszuhalten. Stille, denke ich bei mir, Stille habe ich auch zu Hause. Doch schon bald werde ich eines besseren belehrt.
Ich gebe mich hin, kaue lange auf Ideen herum, zweifle an meinem Stil und such die sogenannte Lücke in meinen Texten. Denn darum geht es. Etwas abzubilden, das nicht im Text vorkommt. Und diese Auseinandersetzung mit den eigenen Texten und Ideen bringt mich dazu, auch mal etwas länger aus dem Fenster zu gucken, oder im Foyer auf dem Sofa zu liegen und in den Büchern zu blättern, die uns Quint Buchholz (ein ganzer Koffer voll) mitgebracht hat. Ich habe zwar Stille zu Hause, aber würde mir selbst in der Alltagshektik diese Langsamkeit nicht zugestehen. Und genau das ist es, was die guten Geschichten brauchen: Zeit.
Das große Ganze
Was in den letzten Tagen dann bei uns großen Eindruck hinterlässt, ist die Zeit, die uns Quint Buchholz gibt und die er mit uns allen verbringt. Wir sind insgesamt 8 Personen. Jede arbeitet an einem eigenen Projekt, alle sind sehr unterschiedlich. Und Quint trägt seinen Stuhl von Tisch zu Tisch, begutachtet, beobachtet, erzählt und gibt sehr konstruktives Feedback. Er stülpt nichts über, sondern stupst einen eher etwas, so wie er beim Malen seiner berühmten Bilder den trockenen Pinsel über das Papier stupst. Nach Tag 2 finden meine losen Kindergedichte endlich einen roten Faden, der sie verbindet. Und ich arbeite mehr an der Idee, dieses Projekt zu einem großen Ganzen zu machen. Haltung eben.
Mittags gehen wir alle gemeinsam zum Italiener gegenüber. Ein gutes Essen, ein Espresso und einige interessante Gespräche später finden wir uns wieder im 1. Stock der Akademie ein. Eine Himbeertorte und frischer Kaffee erwarten uns. Wir sind ganz heiß darauf, weiter zu arbeiten. Abends geht der Kurs offiziell bis 17 Uhr. Dann zieht sich auch Quint zurück, der sagt, er braucht ein bisschen Zeit ohne Menschen und zum Denken. Das verstehen wir, können es aber nicht lassen, zu bleiben. Abends sitzen wir bei Wein und Brotzeit mit ein paar anderen in der Küche, um dann später bis 22 Uhr über unseren Bildideen zu brüten. Wir geben uns gegenseitig Feedback und haben einfach Spaß.
Hirschgeweih und Fahrstuhlmusik
Im Hotel Johannisbad sitzen wir anderntags noch bei Automatenbier in der verlassenen Lobby am Kamin und witzeln, haben Spaß mit Instagram und freuen uns unendlich, dass wir uns diese Woche heraus schneiden konnten aus unserem Businesswahnsinn. Unter uns die 50er Jahre Sessel, über uns das Hirschgeweih. Am Ende des Tages fallen wir müde in die Betten und sind tags drauf aber wieder voller Elan dabei.
Gegen Ende der Woche nerve ich meine beiden lieben Freundinnen ein bisschen mit der Aussicht auf die Bad Aiblinger Therme am Donnerstag Abend. Einmal ins Wasser hüpfen, oder in der Sauna schwitzen wäre für mich ein würdiger Abschluss dieser wunderbaren Woche. Die zwei lieben packen Handtücher und Bikinis ein und wir räkeln uns bei Fahrstuhlmusik unter der Kuppel des Entspannungsbeckens. Floaten durchs Wasser und genießen das Zusammensein. Spät abends kehren wir noch bei Firenze ein, gönnen uns Essen und Wein, lassen uns vom Kellner ablichten und fahren zum Hotel zurück. Das Kamingespräch wartet…
Der letzte Tag in der Akademie führt mich persönlich noch einmal durch die kleine Sammlung der mitgebrachten Gedichte. Mit Quint Buchholz über die Ideen zu sprechen, bringt mich voran und ich weiß nun, an was ich noch weiter arbeiten muss, kann, darf.
Mein absoluter Tipp an Euch da draußen: So eine kreative Auszeit entweder ganz alleine nehmen, oder mit jemandem, mit dem Ihr Euch super gut versteht. Mit Florence und Sabine war das Art Retreat auf jeden Fall auch ein Soul Retreat. Wir sind gemeinsam ohne Schwierigkeiten und dafür mit viel Muße, Freude und Herz durch die Tage geglitten.
Und durch die Stille.
Eure Heike aus dem [wa]schatelier, das demnächst zu Atelier Haas wird