(c) Haas

Bewegung im Stillstand

[vc_row][vc_column][vc_column_text]Wie im letzten Jahr schon, waren die beiden Monate Januar und Februar eher still im Atelier. Ich hatte etwas mehr Zeit für ehrenamtliches Engagement, meine Papiercollagen  und Momente, in denen ich neue Workshops konzipieren konnte. Aber der Stillstand war immer sehr nah. Nah an meinem Ohr, an meinem Auge, an meiner Wahrnehmung. Und er drückte auch ein bisschen aufs Gemüt. Ich hatte den Eindruck, dass ich seit März letzten Jahres in eine Art Slow Motion geraten war und nur darauf zu warten schien, dass jemand auf „fast forward“ drückt.

In diesen Tagen parke ich den Wagen etwas weiter entfernt vom Atelier. Das Zeitlupenleben des Stadtrands tausche ich gerne für ein paar trubelige Stadtstunden ein. Die Leute warten vor Ritas Café, dass sie sich kurz einen Espresso zum Mitnehmen holen können. Da fällt mir auf, dass ich Rita aber schon länger nicht mehr im Café gesehen habe.  An der Bushaltestelle ziehen Menschen sich noch schnell die Maske über die Nase und kramen in ihren Jackentaschen nach dem Busticket. Der Hinweis „Signal kommt“ blinkt an der Fußgängerampel. Auf den Knopf drücke ich jetzt immer mit dem Ellenbogen.

Im schönen schlichten Lokal an der Ecke gibt es jetzt nicht nur Essen zum Mitnehmen. Man kann sich ab sofort dort auch zum Coworking einmieten. Tippen zwischen Plexiglasscheiben und Süßkartoffelpommes.

Die zerfetzte bunte Wimpelkette im Baum an der Straße winkt zu mir herüber, als ich um die Ecke biege. Ich sperre die Tür auf zum Atelier. Es riecht hier so gut. Nach Papier und nach Holz und immer noch nach Neu. Obwohl ich jetzt schon seit fast zwei Jahren hier bin.  Als ich die Fenster in jedem Raum öffne, schreit mir die laute Straße kurz entgegen. Ich liebe es hier. Der Wasserkocher sprudelt, ein bisschen Kaffeepulver fällt mir neben die Kanne. Noch immer bewege ich mich in Slow Motion. Das Wetter macht es nicht besser. Heute 17 Grad und morgen schon wieder Schnee und Graupelschauer.

Als ich das Atelier 2019 angemietet hatte, fühlte es sich an wie ein Ballkleid mit 1000 Schichten Tüll und einem gewagten Ausschnitt. Und als ich es anzog, passte es perfekt. Im letzten Jahr merkte ich, dass man mit einem Ballkleid nicht so schnell laufen kann und schon gar nicht in einer Pandemie.

Momentan fühlen sich alle Bewegungen an wie die Versuche, im Traum zu laufen. Das geht nicht. Man rennt und rennt und alles bleibt doch langsam und träge und wie unter einer Glaskuppel. Aber bei all dem Stillstand, lerne ich wieder neue Seiten an mir kennen. Es erwachen neue Ideen und Kraft, an diesen Ideen zu arbeiten. Ich habe einen Schwung Weiterbildungen für mich gebucht und in der letzten Woche aus dem Workshopraum ein Film- und Streamingstudio gemacht.  Ein großes Projekt liegt da auf meinem Tisch und wartet auf ein paar Metaphern und gezeichnete Striche. Und von lieben Menschen um mich herum kommen neue Impulse. Das macht mich dankbar und demütig.

Doch in all den Stillstand kommt Bewegung. Neue Türen gehen auf, neue Möglichkeiten sagen hallo. Und dann bemerke ich, dass man mit dem Ballkleid doch ziemlich gut laufen kann. Man muss den Rock nur etwas raffen und die Highheels in die Ecke werfen.

Deine Heike aus dem [wa]schatelier

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